Karin Daum

  

Androids Connected

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Neulich im Supermarkt. Eine junge Frau steht vor dem Regal mit den Süßigkeiten: “Welche Schokolade nehme ich, die helle oder die dunkle? Ich glaube, ich nehme die helle Schokolade. Oder doch lieber die dunkle? Welche hatten wir denn letztens? Also die dunkle. Da gibt es so viele verschiedene Sorten. Welche nehme ich denn nur?…”

Wer kennt nicht solche oder ähnliche Situationen? Da ist ein Mensch, der laut vor sich hin spricht, obwohl, so wie es aussieht, niemand da ist, mit dem er sprechen könnte.  Führt er oder, wie in diesem Fall, sie Selbstgespräche? Nein. Bei genauerem Hinsehen bemerke ich, die junge Frau hat ein Handy in der Hand…

Durch die Mobiltelefone hat sich in den letzten mehr als zwei Jahrzehnten unsere Kommunikation grundlegend geändert. Nicht nur, dass wir überall erreichbar sind - das wird auch von uns erwartet - sondern auch, dass sehr viele von uns den Drang verspüren, sich Jederzeit und in fast jeder Situation mitteilen zu müssen. Verglichen zu der Zeit vor den Mobiltelefonen gibt es so viel mehr Wichtiges, das wir mitzuteilen haben? Wohl eher nicht. Befanden wir uns in der Kommunikationswüste mit wenigen Oasen, in denen wir uns mit anderen austauschen konnten? Wohl eher nicht. Hat sich der Mensch in dieser kurzen Zeit genetisch so verändert, dass wir intellektuell so viele neue Einsichten erlangen, die wichtig sind, mitgeteilt zu werden? Auch dies wohl eher nicht.

Es wird uns heute technisch sehr einfach gemacht, uns mitzuteilen. "Hier bin ich!” Das ist die Nachricht, die wir transportieren wollen. Es geht um Selbstdarstellung und dabei häufig um Selbstgespräche. Der Andere, dem wir ja nicht gegenüberstehen, wird oft nur gebraucht, um uns das Gefühl zu vermitteln, dass wir existieren. Da unsere intellektuellen Fähigkeiten in den letzten Jahren nicht explosionsartig zugenommen haben, bedeutet das, dass die meisten Inhalte, die wir kommunizieren, von einer gewissen Belanglosigkeit, Nebensächlichkeit gekennzeichnet sein müssen.

Die Verbreitung der Smartphones fügt weitere Ebenen der Kommunikation hinzu: die sozialen Netze. Wir tauchen mehr und mehr in diese virtuellen Welten ein und identifizieren uns zunehmend mit unserem Smartphone. Im Mittel schauen Smartphone-Besitzer rund achtzigmal am Tag auf ihr Mobiltelefon. Wir sind eins mit ihm - eine Telefonnummer. Aus dem Bedürfnis heraus, sich mitteilen zu müssen, geben sehr viele von uns alles, aber auch alles von sich preis, geben bereitwillig die Privatsphäre auf und machen sich damit nackt.


Dieses ist das Thema der Multimedia-Installation “Androids Connected”. Dabei geht es nicht darum, den Blick rückwärts zu richten - früher war alles besser! - nein, es geht nur um die Bewusstmachung, die es ermöglicht, kritisch die eigene Position zu überdenken. Künstlerisch beschränke ich mich bewusst auf die verbale Kommunikation. Das Abbilden der verschiedenen Ebenen der heutigen Kommunikation in dieser Arbeit würde das Abrutschen in eine gewisse Beliebigkeit zur Folge haben. Weniger ist mehr. Gerade das Fokussieren auf die natürliche Form der Kommunikation ermöglicht ein intensiveres, eindringlicheres Transportieren der Nachricht.


Für diese Installation wurde speziell eine Android-App geschrieben, die auf den einzelnen Smartphones installiert ist und die Steuerung der gezeigten Videoinhalte übernimmt.

Dieses Programm läuft auf den einzelnen Smartphones unabhängig voneinander. Es wählt aus einem Pool von Videosequenzen einzelne Sequenzen zufällig aus, die zu einem zufälligen Zeitpunkt abgespielt werden. Die Videos zeigen die Mundpartien von Menschen, die ein Telefongespräch von der beschriebenen Art führen. Abgesehen von Begrüßungsfloskeln als einzigen Hinweis auf ein Telefongespräch sind es Monologe, bei denen nicht erwartet wird, dass der imaginäre Gesprächspartner eingebunden ist.

Jedes Smartphone verfügt über alle Videosequenzen, sodass ein bestimmtes Video irgendwann auf jedem der Smartphones zu sehen sein wird, mit der Einschränkung, dass die Smartphones in den Gesichtern der Puppen nur solche Videos abspielen, die zur jeweiligen Puppe passen.

Androids Connected im Kurzvideo

Video mit Details zum Projekt